4. Defizitanalyse und Handlungsbedarf

Durch die Gegenüberstellung des Leitbildes und der Geländeerhebungen können Defizite in der Gewässerbettstruktur und Auendynamik herausgestellt werden.

Nachfolgend werden typische, häufig auftretende Defizite an Gewässern, ihre Ursachen, ihre Auswirkungen und in Betracht kommende Abhilfemaßnahmen beispielhaft vorgestellt.

Begradigung/Laufverlegung

Viele Gewässer wurden in der Vergangenheit begradigt oder in ihrem Lauf verlegt, um die Bewirtschaftung der angrenzenden Flächen zu vereinfachen oder sie als natürliche Grenzstreifen nutzen zu können. Die Begradigung des Laufes und Ufersicherungsmaßnahmen führen zu einer gesteigerten Tiefenerosion des Bachbettes. Das Ausuferungsvermögen des Gewässers wird damit eingeschränkt, der lokale Grundwasserspiegel sinkt und benachbarte Feuchtgebiete fallen trocken. Erhöhte Fließgeschwindigkeiten und Abflussmengen sind die Folgen. Hier kann durch gezielte Maßnahmen, wie z. B. das einseitige Aufreißen der Uferböschung oder das Einbringen von Störelementen in das Gewässerbett, die Eigenentwicklung des Gewässers wieder angekurbelt und langfristig ein naturnäherer Gewässerverlauf herbeigeführt werden.

 

Fehlende Uferstreifen

An vielen Gewässern in der landwirtschaftlichen Flur fehlen gewässerbegleitende Uferstreifen und die intensive Grünland- oder Ackernutzung reicht bis an das Gewässerufer heran. Ein ausreichend breiter Gewässersaum ist jedoch nicht nur zum Schutz von Schad- und Nährstoffeinträgen und zur Erhöhung des Wasserrückhalts sinnvoll. Ufergehölze verhindern durch die Beschattung eine übermäßige Verkrautung der Gewässer und sichern durch ihr dichtes Wurzelwerk das Ufer. Der Unterhaltungsaufwand wird dadurch deutlich reduziert.

 

Unterbrechung der Durchgängigkeit

Querbauwerke wie Stauwehre und Wasserkraftanlagen können die Durchgängigkeit von Fließgewässern erheblich beeinträchtigen. Besonders nachteilig wirkt sich die eingeschränkte bzw. unterbrochene Durchgängigkeit auf die Fischfauna aus. Über 90 % der Fließgewässerfischarten werden in der Roten Liste Bayerns mindestens als gefährdet eingestuft. Bereits ab einem Höhenunterschied von 10-15 cm können Querbauwerke von leistungsschwächeren Fischen wie Bachneunauge und Groppe nicht mehr passiert werden. Nicht mehr genutzte Wehre und sonstige Querbauwerke sind zu beseitigen. Andernfalls müssen Fischaufstiegsanlagen (z. B. Raugerinnebeckenpass oder Raue Rampe) bzw. Umgehungsgerinne gebaut werden. Auf eine ausreichende Restwassermenge im Mutterbett ist zu achten.

Eine Unterbrechung der Durchgängigkeit ist auch dann gegeben, wenn Fließgewässer als Teiche angestaut werden. In solchen Fällen ist die Anlage von Umlaufgräben mit ausreichendem Mindestwasserabfluss erforderlich.

 

Verrohrungen/Durchlässe

Verrohrungen können ebenfalls die Durchgängigkeit von Fließgewässern unterbrechen. Aufgrund fehlenden Sohlensubstrates, eingeschränkter Lichtverhältnisse und veränderter kleinklimatischer Bedingungen stellen Rohre oftmals unüberwindbare Wanderhindernisse dar. Um die biologische Durchgängigkeit wiederherzustellen, sind Verrohrungen durch Durchlassbauwerke zu ersetzen und mit einer offenen, natürlichen Gewässersohle auszugestalten.

Durchlässe sind zwar in jedem Fall ökologisch vorteilhafter als Verrohrungen, jedoch können sie durch eine zu kleine Dimensionierung oder eine naturferne Ausgestaltung ebenfalls nicht durchgängig sein. Durchlässe sollten stets über ein bei mittlerem Wasserstand trockenes Bankett und eine nicht befestigte Gewässersohle verfügen.

 

Retentionsraumverlust

Gerade die Auenbereiche der Fließgewässer wurden in der Vergangenheit stark dezimiert. Oft reichen landwirtschaftliche Nutzflächen oder Siedlungsbereiche bis direkt an das Gewässer heran. Zum Teil vermindern auch Dämme und Erdaufschüttungen entlang der Gewässer das Ausuferungsvermögen.

Die Funktion der Auen als Wasserrückhalteräume wird stark beeinträchtigt. Der gesteigerte Wasserabfluss kann in unterliegenden Ortschaften zu höheren Hochwasserständen führen. Deshalb sollte der Auebereich von Fließgewässern grundsätzlich von Bebauung oder Befestigung freigehalten werden. Bestehende Bauwerke sind soweit wie möglich zu entfernen. Darüber hinaus kann das Rückhaltevermögen der Gewässerauen durch Renaturierungsmaßnahmen weiter erhöht werden.

 

Ufer- und Sohlenbefestigung

Um Uferabbrüche, Laufveränderungen oder Gewässereintiefungen zu minimieren, wurden die Ufer und Sohlen von Gewässern befestigt. Der offene Verbau z. B. mit Gesteinsschüttungen ist weniger negativ zu bewerten als ein geschlossener Verbau mit Pflastersteinen oder Beton. Der Verbau von Gewässern sollte auf ein unbedingt notwendiges Maß reduziert werden. Durch den Einsatz ingenieurbiologischer Bauweisen kann eine ökologische Aufwertung erfolgen. In Ortschaften sollte unter Berücksichtigung des Hochwasserschutzes eine kleinflächige Entnahme von Verbauungen und eine Minimalausstattung mit natürlichen Strukturen angestrebt werden.

 

Standortfremde Ufervegetation

Viele Gewässerläufe verlaufen durch Fichtenforste. Zum Teil wurden die Auen der Gewässer auch mit Pappeln oder Grauerlen bepflanzt. Diese Gehölzbestände entsprechen nicht der standortgerechten Vegetation und sollten in naturnahe Bachauenwälder mit Eschen und Schwarzerlen umgewandelt werden.